Valentin Pfeil, Lemawork Ketema und Edwin Kemboi haben eines gemeinsam: sie wollen für Österreich bei den Olympischen Spielen im Marathonlauf starten. Aber lässt man sie überhaupt?
Alle drei haben das internationale Limit (2:19:00) deutlich unterboten, das ÖOC hat aber für die Österreichischen Läufer ein wesentlich schärferes Limit festgelegt (2:14:00). Edwin Kemboi lief am 10.4. in Rotterdam 2:15:47, Lemawork Ketema am 17.4. in Hamburg 2:16:19 (im Vorjahr in Rio 2:14:23) und Valentin Pfeil am 10.4. in Wien 2:16:37. Das ist einerseits relativ deutlich über der ÖOC-Norm, andererseits aber - auch angesichts der jeweiligen Bedingungen - klar unter der internationalen Norm und damit liegt es im Ermessen des ÖOC, ob diese Läufer "olympiawürdig" sind oder nicht.
Limits für Olympische Spiele werden wohl nie wirklich "fair" sein können, weil man schon innerhalb der LA den Laufbereich (wird weltweit betrieben) nicht mit dem Hammerwurf oder Stabhochsprung
vergleichen kann. In einigen Disziplinen können eben aus organisatorischen Gründen nur maximal z.B. 16 (Staffeln) oder 32 Athleten (bei den meisten technischen
Disziplinen) starten, im Marathon würden auch Startfelder mit mehreren hundert Teilnehmern nicht stören, ganz im Gegenteil. Das derzeitige Limit (2:14/2:34) ist zweifelsohne viel "leichter"
(gemessen an Weltranglistenplatzierungen) als in allen anderen leichtathletischen Disziplinen, aber das ist eher eine klassisch österreichische Denkweise, dass man den anderen ihr (hart
erarbeitetes) Glück nicht vergönnt.
Dazu kommt, dass die ursprünglichen IAAF-Limits anhand von Leistungen von gedopten Sportlern festgelegt wurden, weshalb sie im November 2015 erleichtert wurden. Das ÖOC, das die nationalen
Limits festlegt, hat (leider) nicht nachgezogen, hätte aber den Spielraum zum Entsenden der drei oben genannten Läufer, weil alle drei das internationale Limit unterboten
haben.
Klar scheint: entweder alle drei oder keiner, ein Trennstrich irgendwo dazwischen wäre mutwillig und sportlich nicht zu rechtfertigen (andere Strecken, andere Bedingungen, ...). Wichtig wäre aber, dass das ÖOC sehr bald eine Entscheidung trifft, sonst ist eine zielgerichtete Vorbereitung gar nicht möglich.
Dem Vernehmen nach (die Sportler/Betreuer haben bis heute keinen Hinweis erhalten) soll die Entscheidung erst bei einer OÖC-Sitzung am 23. Juni (!) fallen, was nicht nur
sportlich ein Unsinn ist, sondern auch eine geringe Wertschätzung der Sportler zeigt. Die Läufer bereiten sich nun zum Teil "auf Verdacht" auf den Halbmarathon im Rahmen der
EM in Amsterdam (6.-10.7.) vor, um vielleicht zwei Wochen davor zu erfahren, dass sie sich doch lieber auf den Olympiamarathon hätten vorbereiten sollen?
So geht man mit den besten Läufern Österreichs nicht um!
Jedenfalls ist die Entsendung von drei zusätzlichen Sportlern keine finanzielle Frage. Ein Segelboot oder ein Pferd zu transportieren kostet ein Vielfaches und eine Diskussion über die Entsendungskosten (dafür gibt's auch Sponsoren) zu Olympischen Spielen gibt es in keinem Land der Welt.
Der ÖLV hat jedenfalls alle drei Sportler dem ÖOC zur Nominierung vorgeschlagen, jetzt liegt es an Hrn. Mennel (ÖOC-Generalsekretär) & Co.
Alle wissen: keiner von den drei Läufern würde in Rio im Spitzenfeld landen, aber sie sind die Spitze unserer nationalen Marathon-Laufpyramide, Vorbilder für viele andere Läufer und es wäre ein wichtiges Signal für viele andere Sportler. Wenn andere Läufer erkennen, dass man mit z.B. 2:15 oder 2:16 zu Olympischen Spielen kommt, dann werden sie alles daran setzen, dass auch ihr Traum in Erfüllung geht. Genau solche Visionäre brauchen wir, das hat auch schon bei anderen funktioniert...
Es ist also nun wieder die Frage: Sportler oder Funktionäre, was zählt mehr?
Lemawork Ketema
heißt eigentlich Weldearegaye Lemawork Ketema, geb. 25.10.1985, geflüchtet aus Äthiopien, wo Freunde und Verwandte aus politischen Gründen verfolgt wurden. Lebte längere Zeit als Asylwerber in Greifenstein (NÖ), später als anerkannter Flüchtling, seit einiger Zeit aber allein in einer Wohnung in 1030 Wien. Er wurde 2014 und 2015 globaler Sieger beim "Wings for Life World Run", was ihm eine gewisse Bekanntheit gebracht hat. Im Dezember 2015 wurde ihm vom Ministerrat die Österreichische Staatsbürgerschaft verliehen.
Er lehnt die Inanspruchnahme der bedarfsorientierten Mindestsicherung ab und versucht von den Einnahmen als Profisportler zu leben.
Er wird betreut/gemanagt von Harald Fritz und trainiert nach den Trainingsplänen des Belgiers Henry Salavarda.
Morgen (5.5.) wird er erstmals für das team2012.at bei den Österreichischen Staffelmeisterschaften über 3 x 1000m bei einer Staatsmeisterschaft starten.