Vor 4 Wochen - nach Ende der Olympischen Spiele in Rio - hat Sportminister Hans Peter Doskozil angekündigt: "In 3 Wochen werde ich ein Konzept zur Erneuerung der Sportförderstrukturen vorlegen!" wie z.B. hier im Standard-Bericht.
Diese Ankündigung war natürlich komplett unrealistisch und eine parteipolitisch motivierte Alibiaktion. Erst 2013 war das nach jahrelangen Diskussionen erstellte "Bundes-Sportfördergesetz" verabschiedet worden, das eine weitere unglaubliche Verwaltungsaufblähung zu Lasten des Sports bedeutete und v.a. ehemaligen Ministersekretären neue lukrative Jobs verschaffte. Binnen weniger Wochen sollte also plötzlich alles anders sein, wer konnte das nur glauben?
Eine Zusammenlegung von zwei oder drei (von rund zehn) staatlichen Fördertöpfen ohne Strukturveränderungen wäre Etikettenschwindel pur, genauso wie eine Forderung nach "Parteipolitik raus aus dem Sport" und dann am nächsten Tag "die (Anm: parteipolitisch ausgerichteten) Dachverbände müssen bleiben". Sportförderung für die Spitze zum vermeintlichen "Kauf" von Medaillen ist nur dann rechtzufertigen, wenn Spitzensportförderung die Spitze einer funktionierenden Sportpyramide darstellt. In Zeiten in denen es Fälle gibt, dass Eltern von behinderten Kindern das Pflegegeld aus budgetären Gründen gestrichen wird, muss man sehr verantwortungsbewusst mit Steuergeld umgehen. Im Bundes-Sportfördergesetz steht übrigens (§ 44), dass der Sportminister eine Transparenz-Datenbank für die öffentlichen Sportfördermittel einzurichten hat, was bis heute nicht geschehen ist! (Ergänzung: man beachte in diesem Zusammenhang auch die parlamentarische Anfragebeantwortung durch den Ex-BM Gerald Klug vom Dezember 2014; zusammenfassend: "man arbeitet daran")
Wenn Kindern die Freude an Bewegung und Sport vermittelt wird (statt eher gewaltsam ausgetrieben), wenn es ein systematisches Talenterfassungssystem in den Schulen gibt, wenn Bildung und Sport eine Einheit sind, wenn die Sportausbildung der Lehrer (auch an den Volksschulen!) verbessert wird, wenn die Zusammenarbeit von Schulen und Vereinen funktioniert, wenn Sport und Bewegung als aktive förderungswürdige Gesundheits-Vorsorgemaßnahme anerkannt werden, wenn Mittel von der Reparaturmedizin zur Vorsorge umgeschichtet werden, wenn Wien nicht mehr das peinliche Schlusslicht in Europa hinsichtlich Sport-Infrastruktur ist, wenn es im Sport eine funktionierende Basis mit Nachwuchs- und Breitensport gibt und u.a. die Finanzierung von Nachwuchstrainern gesichert ist, wenn die Sportplätze der Schulen auch in den Sommerferien von Vereinen genutzt werden können, wenn nicht mehr Platzmeister bestimmen wer/wann Sport betreiben darf und wenn vor allem in der Verwaltung des Sports mit vielen parallel existierenden Institutionen gespart wird - dann, und nur dann, ist auch die Förderung der Spitze sinnvoll und dem Steuerzahler plausibel zu machen!
Das Wort "SportFÖRDERUNG" impliziert übrigens, dass es eine in die Zukunft gerichtete Aktivität ist und nicht primär ein Belohnungssystem für in der Vergangenheit erbrachte Leistungen. Staatliche Sportförderung ist demzufolge dann sinnvoll, wenn damit die Erfolgswahrscheinlichkeit eines Sportlers signifikant gesteigert (gefördert) wird und dieser Erfolg von nationalem Interesse ist, weshalb auch Aspekte wie Einkommens-/Vermögensverhältnisse des Sportlers, Vorbildwirkung, ökologische Aspekte (Motorsport braucht nicht öffentlich gefördert zu werden, ...) und vieles mehr berücksichtigt werden muss, auch wenn dazu Mut gehört.
Das größte Einsparungspotential und der dringendste Reformbedarf besteht unzweifelhaft im Bereich der Sportinstitutionen wie den Dachverbänden, der BSO und dem ÖOC.
Das ÖOC, laut Felix Gottwald "ein Reisebüro und Wirtshausbetreiber", erhält nach den Bestimmungen des Bundes-Sportfördergesetzes jedes Jahr mehrere Millionen Euro aus öffentlichen Mitteln. ÖOC-Vizepräsident ist ein gewisser Peter Schröcksnadel, der überraschenderweise des Öfteren den hohen Stellenwert des ÖOC preist. Ein bekannter Journalist meinte dazu: "Das neue ÖOC (Anm: der Amtsvorgänger des aktuellen Generalsekretärs sitzt noch im Gefängnis, nachdem er mehrere Millionen unterschlagen und damit u.a. die Fußbodenheizung seines privaten Reitstalls finanziert hatte) hat ja recht bemüht begonnen, aber bald sind die draufgekommen, dass man die Bestimmungen so ausnützen kann, dass man viel Geld so richtig nach Feudalherrenart an gute Freunde verteilen kann, "Feinden" vorenthalten kann und damit Druck ausüben kann."
Nirgends ist definiert, wie das nationale Olympische Komitee (NOK) eines Landes strukturiert sein muss, nur irgendeine Stelle muss die formalen Mindestanforderungen (im Prinzip e-mails der Fachverbände an das IOC weiterschicken) erfüllen. In anderen Ländern (Schweiz, Deutschland, ...) ist deshalb das NOK gar keine eigenständige Institution mehr, sondern es wurde mit anderen Rechtsträgern des Sports verschmolzen, was bei uns längst überfällig wäre. Noch-ÖOC-Generalsekretär Peter Mennel spricht z.B. stolz davon, dass das "ÖOC den Sportlern sechs Olympiazentren zur Verfügung stellt" und "wir müssen die Sportler auch zwischen den Olympischen Spielen betreuen".
Der erste Punkt ist schon alleine deshalb interessant, weil (laut ÖOC-Unter-Website) dann genau fünf Olympiazentren aufgelistet werden. Wie das? Naja, in Wirklichkeit vergibt das ÖOC natürlich nur das Recht, auf Sportzentren Pickerl mit dem Wort "Olympiazentrum" zu kleben, und weil sich Mennel mit dem Zuständigen in der Südstadt zerkracht hat (und lieber das heimatliche "Sportservice Vorarlberg" fördert), zählt die mit den meisten öffentlichen Millionen zugeschüttete Südstadt eben nicht mehr als "Olympiazentrum". Man hat in der Schnelle vergessen die Überschrift mit den "6 Olympiazentren" zu ändern...
Der zweite Punkt ("Betreuung der Sportler") ist sowieso absurd, weil im ÖOC bekanntlich keine Trainer, Sportmediziner oder sonstiges Betreuungspersonal tätig sind. Wobei die "kleinen" Mitarbeiter des ÖOC zweifelsohne wirklich gute Arbeit leisten!
Und was tut das ÖOC sonst noch so? Ein namhafter Trainer berichtete nach den Spielen in Rio: "Der Christoph Sieber (Anm: Sportdirektor des ÖOC und Olympiasieger im Surfen) ist mich voll angegangen, weil ich auf Facebook einen Beitrag vom Lilge "geliked" habe." Dabei ging es in dem Beitrag gar nicht um das ÖOC, aber ich stehe eben dort auf der Schwarzen Liste. Übrigens genau seit dem Vorfall, wo unter einem sachlichen Beitrag von mir ein ehemaliger Funktionär in einem Kommentar das ÖOC etwas beleidigte und ich diesen Kommentar nicht gleich gelöscht habe. Da meinte der gestrenge und etwas humorbefreite Peter Mennel, dass "der Lilge sicher nie wieder eine Akkreditierung bekommt". Ich werde auch fortan mit der Schmach leben müssen, dass Peter Mennel bei Live-TV-Diskussionen darauf besteht, dass er nur kommt, wenn der Lilge ausgeladen wird...
Mit solchen Geschichten kann man unser Sportland 2016 treffend beschreiben und damit erklären, warum es auch in Zukunft Medaillen wohl nur auf der Basis von mehr oder weniger privaten
Einzelinitiativen geben wird, die trotz unserer Sportfunktionäre (90% davon leisten übrigens hervorragende, meist unbezahlte Arbeit an der Basis) an die internationale Spitze kommen.