"800m wäre mal wieder spannend" - das sagte Andreas Vojta vor drei Wochen. Na gut, im Training lief alles gut in "seinem" Langstreckenbereich (er liegt mit seinen 28:30 von den Schweizer Meisterschaften immer noch auf Platz 3 der europäischen Jahresbestenliste über 10.000m ) und auch im Schnelligkeitsbereich stellte er sich nicht ganz patschert an. Vorige Woche der 400m-Test bei den Landesmeisterschaften (52,22") war eher ein K&K-Erlebnis (Krampf und Kampf), aber er stand gestern an der Startlinie einer Österreichischen Staatsmeisterschaft über 800m, was er zuletzt 2011 getan hatte.
Die Taktik war eher keine Raketenwissenschaft: er wusste, dass er ziemlich flott anrennen muss, damit v.a. Dominik Stadlmann in der Endphase seine überlegenen Sprintfähigkeiten nur mehr bedingt auspacken könnte.
Gesagt, getan. Andi gleich an der Spitze des Feldes, die 400m passierte er in ca. 54,5", Dominik hinter ihm. Auf der Gegengeraden gegen den Wind nahm Andreas etwas den Fuß vom läuferischen Gaspedal, um sich ein paar Körner für das finish aufzuheben. Das war auch notwendig. Ca. 150m vor dem Ziel wurde es dann ernst. Andreas beschleunigte noch etwas, der Abstand zu Dominik immer 2 - 3 Meter. Kurz vor der Ziellinie kam Dominik zwar noch näher, aber für Andreas gabs das angestrebte Happy End: mit 1:52,43 holte er sich den Titel, wobei er sich aufgrund der Corona-Bestimmungen die Goldmedaille selbst umhängen durfte.
Über 5000m mussten vom team2012.at diesmal andere ran und zwar gleich zwei Frauen. Lemuela Wutz, gerade während einer Zwangsunterbrechung ihres USA-Studiums in Österreich lief ein sehr gutes, gleichmäßiges Rennen und kam mit Saisonbestzeit und 17:51,63 auf den - in diesem Fall wirklich - guten 8. Rang. Bis Ende des Jahres wird Lemi noch in Österreich sein und die junge Läuferin freut sich u.a. auf die U 23 Staatsmeisterschaften.
Nicht so gut erging es Vereinskollegin Tanja Stroschneider. Nach eher zurückhaltend gelaufenen 17:55 vor einer Woche bei den Landesmeisterschaften wollte sie wieder einiges von ihrer Bestzeit abzwicken, aber bereits nach 200m zwickte es nach einem unfreiwilligen Kontakt mit einer anderen Läuferin hinter ihr im Kreuz, das nach der Bandscheiben OP im vergangenen Jahr noch nicht 100% stabil ist. Im Prinzip keine große Sache, aber das verunsicherte die Triathletin, die in den nächsten Wochen bei Europacup- und Weltcuprennen starten wird, doch erheblich. Nach sechs Runden stieg sie deshalb aus, weil sich für sie die Abwägung Kampf und jede Sekunde versus Risiko eines Auflebens der Verletzung nicht lohnte.
... fast wie früher...
Andreas wollte wieder mal wie anno dazumal das Mittelstrecken-Double. Gestern die 800m waren in dieser Hinsicht ziemlich riskant, heute war es mehr eine Kopfsache, weil er wusste, er muss wieder von vorne ziemlich Druck machen, damit Dominik Stadlmann und der junge Kevin Kamenschak (15 Jahre jünger als Andreas!) gar nicht erst dazu kamen, ihre Sprintfähigkeiten am Ende entsprechend einzusetzen. Da Dominik sich nicht unbedingt in der Favoritenrolle sah, wollte er eine gute Zeit laufen, deshalb arrangierte man sich im Vorfeld. Dominik sollte die ersten 700m mit ca. 60"/Runde die Führungsarbeit machen und sich dann von Andreas etwas über die nächsten Runden helfen lassen. Und dann möge eben der Bessere gewinnen.
Was sonst meist mit einem Theorie-Praxis-Konflikt endet, funktionierte wirklich. Dominik führte tatsächlich bis ca. 700m im Solltempo, dann übernahm Andreas. Dieser passierte die 1000m-Marke in
ca. 2:32/2:33 und hielt das Tempo weiter hoch. 200m vor dem Ziel hatte er schon einen kleinen Vorsprung, Dominik holte sich noch den zwischenzeitlich an zweiter Stelle laufenden Kevin, zu Andreas
wurde die Lücke bis zum Ziel etwas größer.
Andreas gewann schließlich in 3:48,25, Dominik kam mit 3:50,22 fast an seine Bestzeit heran und Kevin lief mit 3:51,15 eine neue PB.
Andreas gewann 2009 (damals in Linz) das erste Mal Staatsmeisterschaftsgold über 1500m, heute war es der 10. Titel über diese Distanz. (im selben Leiberl, mit selber Frisur, ...)
Insgesamt blieben 7 Läufer unter der 4:00-Marke, was es schon lange bei Staatsmeisterschaften nicht gegeben hat. Überhaupt gab es im Laufbereich (800m - 5000m) bei Männern und Frauen so große
Starterfelder wie in den "goldenen" 80er und 90er-Jahren. Und auch die Dichte der Leistungen war mehr als beachtlich. Man wird wohl weit zurückblättern müssen, um z.B. ein
5000m-Staatsmeisterschaftsrennen der Frauen zu finden, wo die 8. Läuferin noch unter 18 Minuten geblieben ist und auch beim 1500er der Frauen blieben heute ALLE 12 Starterinnen unter 4:59!
Ein Grund ist sicher die Corona-Krise, wo sich die Athleten nicht nur "in Ruhe" vorbereiten konnten, sondern die wenigen verbliebenen Startmöglichkeiten auch nützen wollen. Zudem ist die Südstadt
für einen Großteil der Athleten eben mit wenig Aufwand erreichbar...